Bassreflex-Lautsprecher
Der Bassreflex-Lautsprecher ist eine Weiterentwicklung des geschlossenen Lautsprechersystems, bei dem eine Öffnung (Port oder Bassreflexrohr) im Gehäuse die Basswiedergabe erweitert und verbessert.
1. Funktionsprinzip
Das Bassreflex-System nutzt die nach hinten abstrahlende Schallenergie der Membran durch einen Helmholtz-Resonator:
- Gehäusevolumen wirkt als Luftfeder (Compliance)
- Portvolumen wirkt als schwingende Masse
- Bei der Abstimmfrequenz schwingen Port und Membran gegenphasig
2. Helmholtz-Resonanzfrequenz
Die Abstimmfrequenz des Ports berechnet sich zu:
wobei:
- = Portquerschnittsfläche
- = Nettogehäusevolumen
- = effektive Portlänge (geometrische Länge + Endkorrekturen)
2.1. Endkorrekturen
Typische Werte:
- (innen)
- (außen, runde Öffnung)
3. Ersatzschaltbild in der FI-Analogie
3.1. Mechanische Seite
Das Bassreflex-System erweitert das geschlossene System um:
- Portmasse
- Portsteifigkeit: Über die Gehäusecompliance gekoppelt
3.2. Doppelresonanz-Verhalten
Das System besitzt zwei Resonanzfrequenzen:
- Untere Resonanz: Haupt-Membranresonanz (modifiziert)
- Obere Resonanz: Port-Resonanz bei
4. Frequenzgang-Charakteristika
4.1. Resonanzbereich
- Membran und Port in Phase: Bei Frequenzen zwischen den beiden Resonanzen
- Membran und Port gegenphasig: Bei der Abstimmfrequenz
- Verstärkung: Additive Überlagerung der Schalldrücke
4.2. Impedanzverlauf
Charakteristische Doppelspitze im elektrischen Impedanzverlauf:
- Erste Spitze: Bei der unteren Systemresonanz
- Minimum: Bei der Abstimmfrequenz
- Zweite Spitze: Bei der oberen Systemresonanz
4.3. Unterhalb der Abstimmfrequenz
- Steiler Abfall: 24 dB/Oktave (4. Ordnung)
- Kritischer Bereich: Membranauslenkung steigt stark an
- Verzerrungsanstieg: Nichtlineare Effekte werden dominant
5. Auslegungsparameter
5.1. Alignments (Abstimmungen)
Butterworth-Alignment (QB3):
- Maximal flacher Frequenzgang
- (Abstimmfrequenz = Chassis-Resonanzfrequenz)
- Moderate Basserweiterung
Chebyshev-Alignment:
- Leichte Überhöhung im Bass
- Erweiterte untere Grenzfrequenz
Bessel-Alignment:
- Optimales Gruppenlaufzeit-Verhalten
- Gute Impulsantwort
- Konservative Basserweiterung
5.2. Gütefaktor-Kriterien
Typische Werte:
- : Geeignet für Bassreflex
- : Besser für geschlossenes Gehäuse
6. Vor- und Nachteile
6.1. Vorteile
- Erweiterte Basswiedergabe bei gleichem Gehäusevolumen
- Höherer Wirkungsgrad im Resonanzbereich
- Geringere Membranauslenkung bei der Abstimmfrequenz
- Reduzierte Verzerrungen im optimalen Arbeitsbereich
6.2. Nachteile
- Steiler Abfall unterhalb der Abstimmfrequenz
- Gruppenlaufzeit-Verzerrungen durch Doppelresonanz
- Höhere Komplexität in Auslegung und Abstimmung
- Portgeräusche bei hohen Pegeln möglich
7. Messverfahren
7.1. Nahfeldmessung
Separate Messung von Membran- und Port-Beitrag:
Keele-Methode:
7.2. Impedanzmessung
- Resonanzfrequenzen aus Impedanzspitzen ablesen
- Gütefaktoren aus Impedanzkurve bestimmen
- Abstimmung verificieren durch Vergleich mit Sollwerten
8. Konstruktive Aspekte
8.1. Port-Dimensionierung
Röhrenport:
- Länge und Durchmesser nach Helmholtz-Formel
- Strömungsgeschwindigkeit begrenzen: m/s
Schlitzport:
- Größere Öffnungsfläche bei geringer Bautiefe
- Komplexere Berechnung der effektiven Länge
8.2. Gehäuse-Design
- Innenversteifungen zur Resonanzunterdrückung
- Dämpfungsmaterial zur Absorption stehender Wellen
- Port-Positionierung zur Minimierung von Interferenzen
9. Anwendungsbereiche
9.1. HiFi-Lautsprecher
- Standlautsprecher: Erweiterte Basswiedergabe
- Kompaktlautsprecher: Wirkungsgradsteigerung
9.2. PA-Systeme
- Subwoofer: Maximaler Schalldruck im Bassbereich
- Line-Arrays: Effiziente Tieftonwiedergabe
9.3. Automotive
- Fahrzeug-Subwoofer: Anpassung an begrenzte Gehäusevolumina
Das Bassreflex-Prinzip ermöglicht die optimale Ausnutzung des verfügbaren Gehäusevolumens und stellt einen bewährten Kompromiss zwischen Basserweiterung, Wirkungsgrad und konstruktivem Aufwand dar.